Aus der Presse

Maßnehmen am königlichen „Teehaus“der alte Fritz lässt Blicken

Potsdamer Stadtkurier, 25.03.2009

Denkmalpflege Studentin betreibt Schadensanalyse
am Wohnsitz von Erzpriester Koljada / Zierleisten verschwunden

Der einstige Erholungsort für Friedrich Wilhelm III. führt ein ganz unkönigliches Schattendasein.
Von Ildiko Röd

Die beiden jungen Frauen halten ein Ding in der Hand, das fast wie eine Taschenlampe aussieht. Aber der Strahl ist nicht weiß und weitflächig, sondern dünn und rot. Jessica Zimmermann stellt das Gerät auf den verwitterten Terrassenboden. Wie eine fadendicken Säule strebt der Strahl nach oben, bis er oben an den Balkon trifft. „Das Gerät misst die Distanz“, erklärt die junge Frau, die Bauingenieurwesen an der Fachhochschule studiert. Manchmal kommt aber statt des digitalen Werkzeugs noch das gute, alte Metermaß zum Einsatz, wenn sie hier gemeinsam mit Studienkollegin Katja Jähnig Daten für ihre Diplomarbeit sammelt. Thema: die Schadensanalyse am Haus Nummer 14 in der Russischen Kolonie, bei dem es sich um ein einzigartiges Denkmal handelt.

Von der Logik her würde man hinter den Holzfassaden des Gebäudes, das sich ein paar Meter neben der Alexander-Newski-Kapelle erhebt, das Wohnhaus eines Geistlichen vermuten. Heutzutage ist das auch so, denn seit vielen Jahrzehnten lebt hier der Erzpriester der russisch-orthodoxen Gemeinde, Anatolij Koljada.

Als das Haus 1826 errichtet wurde, diente es einem anderen Zweck, wie Geschichtsforscher Louis Schneider 30 Jahre später berichtete: Es „... enthielt in der oberen Etage ein geräumiges Theezimmer zu besondern Gebrauch seiner Majestät. König Friedrich Wilhelm III. besuchte dieses Landhaus häufig und mit Vorliebe. Aber auch Mittagstafeln bis zu 40 Personen fanden zuweilen hier statt.“ Der französische Architekt Montferrand – er baute die Isaakskathedrale in St. Petersburg – zeichnete für die Pläne verantwortlich. Ursprünglich waren sie für ein Dorf nahe der Zarenresidenz Zarskoje Selo gedacht. Doch es kam nie dazu.

Als der König 1818 in Petersburg zur Taufe seines Enkels weilte, des späteren Zaren Alexander III., sah er die Pläne und „exportierte“ sie nach Potsdam. Im Erdgeschoß logierte dann ein Hoflakai, der für die Aufsicht über die Newski-Kapelle zuständig war. Schneider schreibt weiter: „Dies Haus, nebst Schuppen, ist mit glatten Dielen bekleidet, mit grauer Ölfarbe gestrichen, Fenster, Thüren und Verzierungen weiß gehalten, die Läden sogar bunt bemalt; alles sehr freundlich.“

Die bunte Farbe ist längst abgeblättert. An den Fensterläden findet man noch Spuren von Weiß. Auch an den Schmuckelementen an den vier hölzernen Säulen an der Giebelseite ist ein wenig davon zu erkennen.

Aber was als erstes ins Auge fällt, sind die Risse im Holz: „Bis zu einem Meter lang und fast drei bis vier Zentimeter tief“, erklärt Zimmermann. In ihrer Diplomarbeit will sie hauptsächlich die Giebelseite des Gebäudes unter die Lupe nehmen. Dabei geht es auch darum, festzustellen, inwieweit das Holz sich in den Jahrhunderten verzogen hat. Ganz deutlich wird der Alterungsprozess bei den vier Holzsäulen, die den Balkon tragen: Gut zwei Zentimeter weit sind sie auf ihren Betonsockeln verrutscht. Der ist noch nicht wirklich einsturzgefährdet, aber: „Man sollte bald was unternehmen“, warnt sie. Der Zustand der Fenster sei hingegen ganz passabel.
Ein trauriger Anblick sind indes die rautenförmigen Geländerverstrebungen der Balkone. Vielfach sind sie abgebrochen oder ganz verschwunden. Auch von den so genannten Schleierbrettern mit Schnitzereien im russischen Stil , die einst den Giebel zierten, fehlt jede Spur. Noch zu DDR-Zeiten hat sie Restaurator Kurt Kallensee im Auftrag des Denkmalamtes abgenommen. Auf MAZ-Nachfrage erklärte Kallensee, er habe sie dem Potsdam-Museum übergeben. Doch in dessen Depots lagern die Reste des Schnitzwerks offenbar nicht.
„Wir haben inzwischen alle Stücke katalogisiert. Die Leisten sind nicht aufgeführt, also haben wir sie definitiv nicht“, versichert Bereichsleiter Hannes Wittenberg. Die Sanierung des in Obhut des Kommunalen Immobilienservice (Kis) befindlichen „Teehauses “ soll nach Angaben der Stadt 700 000 Euro kosten und könnte, dank Bundesfördermitteln zugunsten der Unesco-Welterbestätten, klappen. Das Gebäude steht auf der städtischen Prioritätenliste der dafür in Frage kommenden Denkmale. Diese muss laut Stadtsprecherin Rita Haack bis 31. März für den Abstimmungsmarathon dem Land vorliegen.